Posted 06.02.2018
Ein großes finanzielles Risiko stellt bei Gemeinschaftspraxen die gewerbliche Infektion gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG dar. Da von Arztpraxen regelmäßig freiberufliche Einkünfte ohne Gewerbesteuer-Belastung erzielt werden und darauf lediglich die reguläre Einkommensteuer fällig wird, kann sich je nach Hebesatz der Gemeinde trotz Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer eine definitive Mehrbelastung von ca. 2,5 bis 3 Prozent ergeben. Bei mehreren Jahren kann also eine erhebliche Mehrbelastung entstehen.
Darüber hinaus kann bei der Einstufung der Tätigkeit als gewerblich der Verlust der Erleichterungen bei der Buchführung drohen. Dies hat zur Folge, dass bspw. an Stelle der Überschussrechnung die Pflicht zur Bilanzierung tritt und damit bspw. noch nicht vereinnahmte Forderungen erfasst werden müssen und damit steuerlich früher erfasst werden.
Wie kann es zur Gewerblichkeit kommen?
Dies kann durch eine umfangreiche Verkaufstätigkeit, gesellschaftsrechtlich nicht akzeptable Nullbeteiligungsmodelle oder die nicht eigenverantwortliche Führung von Zweigstellen durch Praxisinhaber geschehen. Hierzu einige Beispiele:
Der niedergelassene Zahnarzt (Einzel- und Gemeinschaftspraxis) verkauft in großem Umfang elektrische Zahnbürsten und Zubehör sowie Zahnpasta. Sobald die Einnahmen, NICHT der Gewinn, über 3% der Gesamteinnahmen der Praxis ausmachen oder aber über EUR 24.500,- betragen, wird die gesamte Praxis als Gewerbebetrieb eingestuft und auf den gesamten Praxisgewinn wird Gewerbesteuer erhoben. Hier könnte durch Gründung einer zweiten „Verkaufs-Gesellschaft“ entgegen gesteuert werden.
Im zweiten Fall wird eine Zweigstelle oder Zweitpraxis nicht leitend und eigenverantwortlich vom Inhaber geführt, sondern von einem angestellten Berufskollegen vollumfänglich geleitet. Dies führt dazu, dass eine gewerbliche Infizierung erfolgt. Es muss also dokumentiert werden, bspw. durch Kalendereinträge und Sichtvermerke auf den Patientenakten, dass der Inhaber den angestellten Arzt überwacht und Leitungsaufgaben ausführt. Ganz sicher ist es nur dann, wenn an jedem Standort einer Praxis ein Gesellschafter oder der Inhaber selbst tätig ist.
Eine dritte Gefahr stellen sogenannte Nullbeteiligungsmodelle dar: hier werden Gesellschafter mit lediglich Gewinnbeteiligung aber ohne Beteiligung am Praxisvermögen aufgenommen. Hier fehlt regelmäßig die für eine Mitunternehmerschaft notwendige Mitunternehmerinitiative und das Mitunternehmerrisiko. Zwar werden teilweise Gestaltungen gewählt, bei denen vollständige Einsichtsrechte gewährt, Variable Gewinnanteile und eine Beteiligung am Verlust vereinbart sind und auch keine rein umsatzabhängige Gewinnanteile berechnet werden. Diese sind aber nach neuester Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ebenfalls als sehr gefährlich und keinesfalls ratsam einzustufen.
Abschließend noch der Fall, dass fachfremde Ärzte angestellt werden und diese dann vom Inhaber nicht mehr gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG „aufgrund eigener Fachkenntnisse“ überwacht werden kann. Damit kommt es ebenfalls zur gewerblichen Infektion.
Wie Sie aus vorstehenden Ausführungen entnehmen können, ist das Risiko der gewerblichen Infektion sehr ernst zu nehmen. Es drohen hohe und möglicherweise existenzbedrohende Nachforderungen der Finanzverwaltung, sowie evtl. berufsrechtliche Konsequenzen.
Sollte einer der geschilderten Sachverhalte auch nur ansatzweise auf Sie und Ihre Praxis zutreffen, zögern Sie bitte nicht, umgehend mit uns in Kontakt zu treten.